Flüchtlinge - Chance oder Herausforderung

Absolute Stille herrschte am vergangenen Sonntag im proppenvollen Rathausfoyer als Gopinath Thevapalan aus Sri Lanka, Ibraim Demivorvski aus Mazedonien und Jihad Ajouni aus Syrien die Gründe ihrer Flucht aus ihren Heimatländern schilderten. Ihre bewegenden Schicksale standen im Mittelpunkt der Veranstaltung zur aktuellen Flüchtlingssituation. Oberbürgermeister Thilo Rentschler hatte zum Informationsabend eingeladen. Neben den drei Flüchtlingen waren auch Bundestagsabgeordneter Roderich Kiesewetter, Berthold Weiß, Leiter der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen und Sylvia Schütz-Fatum, seit dreißig Jahren aktiv in der Flüchtlingsarbeit, auf dem Podium. Dr. Rolf Siedler moderierte die rund zweistündige Veranstaltung, die den interessierten Besuchern möglichst viel an Informationen vermitteln sollte.

Flüchtlinge ? Chance oder Herausforderung
Flüchtlinge ? Chance oder Herausforderung (© Stadt Aalen)

Die drei Flüchtlinge sprachen stellvertretend für die Millionen Menschen weltweit, die sich aus Verzweiflung, Not, Hunger und Armut auf den gefährlichen Weg nach Europa machen, um eine sichere Heimat zu finden.

MdB Roderich Kiesewetter stellte die aktuelle Situation aus außenpolitischer Sicht dar. Die Bundespolitik habe das Ausmaß der Flüchtlingsströme unterschätzt, ent-sprechende Gesetzesänderungen seien verschleppt worden. Man müsse mehr Aufmerksamkeit auf die Fluchtursachen richten. „Wenn täglich mehr als 10.000 Menschen nach Deutschland kommen, ist das einfach nicht zu bewältigen“, sagte der Abgeordnete und verwies gleichzeitig darauf, dass Deutschland seit 1990 elf Millionen Menschen aufgenommen habe.

Berthold Weiß schilderte den Alltag in der LEA Ellwangen, die derzeit mit rund 4.100 Bewohnern überbelegt sei. „Diese drastische Zunahme der Flüchtlinge hat alle überrascht – Bund, Länder und die Kommunen. Wir haben täglich 200 Neuzugänge und verlegen wöchentlich zwischen 600 bis 700 Flüchtlinge in die Landkreise.“ Er hofft, dass sich die Belegungszahl bis Jahresende auf 3.000 einpendeln wird.

Oberbürgermeister Rentschler berichtete, dass Aalen bisher 300 Flüchtlinge in Sammelunterkünften aufgenommen habe. Aufgrund der LEA-Unterbringung gilt die Sondervereinbarung, dass der Ostalbkreis bisher weit weniger Flüchtlinge unterbringen muss, als andere Landkreise. „Aalen kann mehr leisten“, so Rentschler und verwies auf das städtische Handlungsprogramm Flüchtlinge und das Wohnungsbauprogramm, das sich insbesondere auch mit der ordentlichen Unterbringung von Flüchtlingen beschäftigt. Die Stadt will Grundstücke zum Bau von Unterkünften für Flüchtlinge bereitstellen und gemeinsam mit Institutionen, Unternehmen und Kirchen entsprechende Strukturen aufbauen, um den Flüchtlingen beim Aufbau einer neuen Existenz behilflich zu sein. „Wir haben 140 Unternehmen in Aalen angeschrieben, um Möglichkeiten der Beschäftigung von Flüchtlingen auszuloten“, so der Oberbürgermeister.

Sylvia Schütz-Fatum erinnerte daran, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu Flüchtlingswellen kam, die anscheinend nicht zu bewältigen waren. „Wir sollten nicht die Krise sehen, sondern den Gewinn, den die Flüchtlinge für unsere Gesellschaft darstellen“, sagte sie unter Applaus der Besucher. Sie kritisierte das Dublin-Abkommen als wenig sinnvolles Bürokratiehindernis. Die Vorschrift, dass Flüchtlinge zur Registrierung in das erste „sichere“ Ankunftsland zurückgesandt würden, sei angesichts der wirtschaftlichen Situation in Griechenland oder Ungarn unverständlich.

Werner Gnieser, Initiator einer privaten Hilfsaktion auf der griechischen Insel Lesbos, bestätigte mit seinem Bericht von der katastrophalen Lage in Griechenland diese Einschätzung.

Rolf Siedler dankte Gnieser für seine ehrenamtliche Initiative und betonte die immense Wichtigkeit des ehrenamtlichen Engagements in der Flüchtlingsarbeit.

Auch Roderich Kiesewetter verwies auf den hohen Stellenwert der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit. So seien auch die Reservisten der Bundeswehr bereit zu helfen.

SPENDENERLÖS FÜR SYRISCHE FLÜCHTLINGSKINDER IN ANTAKYA

Oberbürgermeister Thilo Rentschler dankte allen Beteiligten für ihr Kommen und die vielfältigen Informationen. Der Kulturküche dankte er für die Bewirtung des Abends und bat alle Anwesenden zu spenden, um
syrischen Flüchtlingskindern in Antakya den Schulbesuch zu ermöglichen. „Wir wollen gemeinsam mit dem Land 260.000 Euro aufbringen, um vor Ort in Antakya zu helfen.“

© Stadt Aalen, 02.01.2015