Aalener Handel artikuliert in Berlin Notwendigkeit von Entschädigung

Nachjustieren bei staatlichen Programmen ist notwendig

Einzelhandel in Corona:
Entschädigungsthemen für den Einzelhandel wurden aus städtischer und Händlersicht der Bundespolitik vorgetragen: OB Thilo Rentschler und Claus Albrecht stellen Bedürfnisse des stationären Handels in Berlin klar

Knapp zwölf Wochen hatte der stationäre Handel seine Türen geschlossen halten müssen, ehe am 8. März erste Ladenöffnungen im Jahr 2021 nach dem zweiten Lockdown im Ostalbkreis angesichts einer Inzidenz von 42 möglich waren. Drei Tage zuvor haben sich Aalens OB Thilo Rentschler sowie ACA-Vize- und BdS-Vorsitzender Claus Albrecht am Freitag, 5. März, im Bundesfinanzministerium in Berlin dafür eingesetzt, dass gerechte Entschädigungen für die vom Lockdown stark gebeutelten Einzelhändler in die Maßnahmenpakete der staatlichen Corona-Hilfen aufgenommen werden.

In die Gespräche bzw. die Vermittlung eingebunden waren im Vorfeld die Bundestagsabgeordneten Leni Breymaier und Roderich Kiesewetter. „Bei Zwangsschließungen für den Einzelhandel sind Entschädigungen nicht nur moralisch richtig, sondern auch aus juristischer Sicht unter dem Gebot der Gleichbehandlung im Vergleich zu anderen Branchen geboten“, sagt OB Thilo Rentschler nach den Gesprächen im Bundesfinanzministerium. Auf Staatssekretärs-Ebene sowie der für die Corona-Hilfen zuständigen Administration wurden essentielle Dinge wie die Entschädigung von unverkäuflichen Warenwerten, dem Umgang bei Abschreibungen von eigengenutzten Immobilien sowie der Geltendmachung von Mieten oder eines Ausgleichs beim Lebensunterhalt der Einzelhandelsunternehmer selbst.

Warum ist das Thema für lebendige Städte wie Aalen so wichtig? OB Rentschler: „Die Kernsortimente Textilien, Schuhe und Sportbedarf gelten als Frequenzbringer, von denen eine funktionierende Innenstadt enorm profitiert. Reiner Online-Handel birgt die Riesengefahr eines ‚süßen Gifts‘, das eine Belebung der Städte lähmt und ihnen Attraktivität nimmt.“ Deshalb sei es wichtig, dass der Handel durch die Einschränkungen aufgrund der Pandemie nicht nachhaltig und einseitig geschädigt werde. „Eine Stadt lebt von der Begegnung und intensivem Handel mit Waren des täglichen Bedarfs“, sagt Claus Albrecht, der in Berlin die Belange des Innenstadtvereins ACA und des Bundes der Selbstständigen BdS vertrat.

Dass nicht alle Ungerechtigkeiten ausgeglichen werden können, wurde in den Erörterungen klar. „Uns geht und ging es darum, große Ungerechtigkeiten und Lücken in den bislang vorhandenen Hilfspaketen wie dem Überbrückungsgeld aufzuzeigen und die Differenz zwischen den echten Kosten des Lockdowns und den Entschädigungen kleiner zu machen“, sagt Claus Albrecht nach den konstruktiven Gesprächen. „Unsere Botschaften wurden ernstgenommen und die Prüfung einer Umsetzung beim Nachjustieren der staatlichen Programme zugesagt. Ich habe das Gefühl, dass die vorgetragenen Praxisbeispiele dazu beitragen, das Verständnis für die Nöte der Händler in  den Ministerien zu verstärken“, sagt OB Rentschler. „Neben der reinen Liquiditätssicherung muss es um staatliche Ersatzleistungen durch eine handelsrechtlich korrekte Bewertung der Ware gehen.“

Die Überlebenschance vieler Händler soll verbessert werden – darin sind sich Claus Albrecht und der Aalener Oberbürgermeister einig. Denn das Damoklesschwert eines über 50 steigenden Inzidenzwertes und die damit verbundenen Einschränkungen im Handel durch den Verkauf nur nach Terminvereinbarung oder kompletter erneuter Schließung schwebt über den Hoffnungsschimmern durch die staatlichen Entschädigungsmaßnahmen und den Ladenöffnungen seit dem 8. März. „Wir müssen auch an die Regionen mit derzeit noch hohen Inzidenzen denken. Dort leiden Einzelhändler noch weiter unter dem aufgrund der Pandemie verordneten Quasi-Berufsverbot. Sie brauchen klare Überlebensperspektiven“, sagt OB Thilo Rentschler. Und Claus Albrecht stellt klar, dass es nicht darum geht, Almosen zu empfangen oder Hilfen zu kassieren, um sich zurücklehnen zu können. „Wir wollen unsere Waren verkaufen und unsere Läden für die Menschen offen haben“, sagt er.

Derzeit sei viel mehr Ware in den Läden gestapelt als üblich - teils bis zu 40 Prozent. „Gute Lösungen müssen jetzt rasch gefunden werden, nachdem fast acht Wochen nach dem 16. Dezember 2020 Stillstand herrschte, weil die nur online zu beantragenden Hilfen nicht beantragt werden konnten. Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Überbrückungshilfen bis zum 30. Juni weitergelten“, sagt der Aalener Stadtrat.

Und OB Thilo Rentschler betont, dass die Interventionen aus Aalen bereits Wirkung gezeigt haben. „Die konkreten Vorschläge von Claus Albrecht aus dem Februar zur Methode der Teilabschreibung wurden in die Antragsrichtlinien des Bundeswirtschaftsministeriums eingearbeitet. Dafür danken wir den beiden Abgeordneten Leni Breymaier und Roderich Kiesewetter, die unsere Ideen verstanden und weitergetragen haben“, erklärt Thilo Rentschler.

Die beiden Bundestagsabgeordneten sind für die Initiative aus Aalen dankbar. Sie verweisen auf die von OB Thilo Rentschler vorgebrachten Argumente zur Sicherung der Attraktivität der Innenstädte. „Wir müssen alles tun, um die Geschäfte in den Innenstädten zu stützen. Ein alteingesessener Laden, der für immer schließt, schwächt eine City. Auch nach der Pandemie müssen wir alle an tragfähigen Konzepten für liebenswerte Innenstädte arbeiten. Dabei habe ich auch die großen Onlinehändler im Blick“, sagt MdB Leni Breymaier nach den Gesprächen im Bundesfinanzministerium, an denen sie teilgenommen hat. 

Und MdB Roderich Kiesewetter betont: „Die wirklich hilfreichen Hinweise aus der Praxis des Mittelstands, besonders des Einzelhandels, sind mir sehr wichtig. So können wir weitergeben, wo nachjustiert werden muss oder wo weitere Differenzierungen nötig sind.“ Allerdings müsse klar sein, dass der Bund nicht für jede individuelle Situation Lösungen aufzeigen könne, sondern Richtlinien allgemein gehalten werden müssten. „Es gibt weiterhin Branchen, die geschlossen sind und es hängt auch weiterhin vom Verantwortungsbewusstsein und der Vorsicht jedes Einzelnen ab, ob die Öffnungen Bestand haben können“, ergänzt Kiesewetter.

© Stadt Aalen, 09.03.2021