Die Kocherburg

Vor tausend Jahren sicherte die Spornburg die Macht der Grafen von Dillingen. Nach aufwendigen archäologischen Sicherungsmaßnahmen kann die Ruine heute von jedermann erkundet werden.

Wozu brauchte man im Mittelalter eine Burg? Burgen schützten die Wehrlosen, Burgen sicherten mächtigen Männern Einfluss. So auch die Kocherburg, die 1300 als »castrum Kochenburch« erstmals erwähnt wurde. Vermutlich ist sie aber deutlich älter. Ihr Name geht zurück auf die Herren von Kochen, die bereits um 1147 als Dienstleute die Interessen des Klosters Ellwangen in
der Region verteidigten. Mitte des 14. Jahrhunderts ging der militärische Charakter der Burg verloren.

Die Kocherburg diente den ellwangischen Vögten nun vor allem als Sitz des gleichnamigen Verwaltungsbezirks »Amt Kochenburg«. Doch nicht jeder dieser Vögte machte sich bei den Unterkochenern beliebt. Davon zeugt die Sage
vom jagdbesessenen Junker Hans.

Kocherburg im Hochmittelalter (Simulation von Benny Rieger, Ostalb-Archäologie) (© )

Die Sage vom Junker Hans

Einst lebte in der Kocherburg der grausame Junker Hans. Er liebte das Jagen sehr. Vom Feld und sogar aus der Kirche holte er sich die Unterkochener, damit sie ihm bei der Treibjagd zur Hand gingen. Einige von ihnen wünschten sich insgeheim: »Ach, möge der Junker Hans doch zur Hölle fahren!«


Das hätten sie besser nicht getan: Schon kurz nach seinem Tod suchte Junker Hans die Dorfbewohner heim. Er raste mit dem Pferdewagen von der Kocherburg ins Tal zur Kirche und wieder zurück. Im Verlies der alten Burg feierte er mit seinem
untoten Jagdgefolge wilde Gelage. Bis ins Tal schallte sein Jagdschrei »Hoss! Hoss!« (nach Emil Bayer: Sagen der Heimat zwischen Albuch und Ries)

Eine mächtige Schildmauer (rot) schützte die mittelalterliche Burganlage zum Berg hin. Richtung Tal (vgl. Simulation ganz links) erstreckte sich vor dem eigentlichen
Burgtor mit Halsgraben eine Vorburg mit Ökonomiegebäude. Im 17. Jahrhundert sollte das mittelalterliche Palais (orange) zum Ostflügel des neuen Renaissanceschlosses umgebaut und bis zur Schildmauer verlängert werden. Rechts davon auf dem Halsgraben entstand der neue Westflügel mit innenliegenden Arkaden (türkis) (Zeichnung: Benny Rieger, Ostalb-Archäologie). (© )

"Sommerfrische" und Steinbruch

Seit Beginn des 17. Jahrhunderts verfiel die mittelalterliche Burg zunehmend, bis 1627 der Ellwanger Fürstpropst Jakob Blarer von Wartensee Teile der Burganlage abtragen und zu einem Renaissanceschloss als »Sommerfrische« umbauen ließ.
Das 1632 mit bescheidenen Mitteln fertiggestellte Schloss wurde aber bereits 13 Jahre später im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden zerstört. Die Ruine diente in den folgenden 200 Jahren als Steinbruch – zum Beispiel auch für den barocken
Neubau der Wallfahrtskirche St. Maria ab 1768. Lange blieb es still um die Ruine: Bäume wuchsen aus den alten Gemäuern und Ende des 19. Jahrhunderts erinnerten sich nur noch wenige an die Anlage – bis ein Burgenforscher und ein Papierfabrikant sie wiederentdeckten.

Rekonstruktion des Renaissanceschlosses nach Plänen von Baumeister Hans Alberthaler, 1632. Gut unterscheidbar ist der Westflügel (Neubau) vorn vom Ostflügel (ehemals mittelalterlicher Palais) hinten (Zeichnung: Erich Holzwarth). (© )

Die "Artusritter von der Kocherburg"

Fast 250 Jahre lang diente die Kocherburg als Steinbruch. Ihre ursprüngliche Funktion als Burg hatten viele
vergessen, ehe sich in den 1880er Jahren einige Unterkochener für die Anlage begeisterten. Als »Artusritter von der Kocherburg« hissten sie erstmals im Sommer 1882 auf den Überresten der Burganlage eine weiße Fahne und feierten im
Unterkochener »Adler« als »Tafelrunde« ein Bankett. Gemeinsam dichteten sie in der Kocher-Zeitung:

»Dort bei der weißen Fahne
ruht ein gar reicher Schatz,
Und eine weiße Dame
behütet seinen Platz.«

Papierfabrikant und Burgenforscher

Papierfabrikant Adolf Palm (1846-1925) (© ©Familie Palm)

Auch das Herz von Adolf Palm, Papierfabrikant in Unterkochen, entbrannte in diesen Jahren für die Kocherburg. Ihm ging es aber nicht um romantische Verklärung, er wollte die Geschichte der Burg wissenschaftlich ergründen. Unterstützung von der Gemeinde erhielt er nicht: Es bestünde, so der Gemeinderat damals, »wenig Hoffnung, wertvolle Altertümer zu finden«.

Im Mai 1913 beauftragte Palm aus eigenen Mitteln den Burgenforscher Konrad Albert Koch, die Anlage historisch und archäologisch zu erschließen. Dabei ging Koch erstaunlich modern vor. Anstatt die Kocherburg als »Märchenburg« wiederaufzubauen wie damals üblich, galt: »Wir streben nur an, das Gefundene zu erhalten, nicht das Vergangene wiederherzustellen.«

Bürger packen an

INKO-Mitglieder im Mai 2018 (© INKO)

Diesem Motto blieben auch Bürger aus Unterkochen treu, die um die Jahrtausendwende die Burganlage für sich entdeckten. Als Initiative Ruine Kocherburg (INKO), Teil des Geschichtsvereins Aalen e.V., erforschten sie ab 2007 gemeinsam mit den Experten der Ostalb-Archäologie die Burganlage erneut. 2022 konnten auch die Sicherungsarbeiten abgeschlossen werden.

Jüngste Erkenntnisse

Siegelring des Ellwanger Vogts (© )

Präziser als Koch 1913 gelang es der Initiative, die Baugestalt von mittelalterlicher Burg und Renaissanceschloss zu verstehen. Die zahlreichen Funde – Siegel, Waffen, Keramiken und ein Ring – ermöglichten zudem einen tieferen
Einblick in die Alltagskultur der Burg. Dank des Engagements vieler Freiwilliger und der Förderung zahlreicher Unterstützer, allen voran der Wilfried Palm-Stiftung, ist es heute wieder möglich, die Kocherburg in ihrer originalen Ausdehnung zu verstehen.

Danksagung

Der Geschichtsverein Aalen e.V. und die INKO danken ihren Förderern und Unterstützern:
Dr. Wolfgang Palm (Papierfabrik Palm, Unterkochen) sowie die Wilfried Palm-Stiftung • Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg • Denkmalstiftung Baden-Württemberg Staatliche Forstamt BW als Vertreter des Wald-Eigentümers • Stadtverwaltung Aalen, Bezirksverwaltung Unterkochen, Stadtwerke Aalen • Hans und Marie Luise Richardt-Stiftung, Aalen • VR-Bank, Filiale Unterkochen • Zeiss AG, Oberkochen • Grünlandservice Stütz, Unterkochen • Freiwillige Feuerwehr Aalen, Abteilung Unterkochen • Initiative ProUnterkochen • Ahlstrom- Munksjö Paper GmbH, Unterkochen.

Wir danken für die gute Zusammenarbeit mit folgenden Behörden und Unternehmen: Burgenforscher Tilmann Marstaller • Stadtarchiv Aalen und untere Denkmalschutzbehörde der Stadtverwaltung Aalen • Studenten der Hochschule für Technik in  Stuttgart unter der Leitung von Prof. Dr. Ing. Böttinger, Universität Tübingen • Fa. Ostalb-Archäologie/Neresheim •
Fa. A. Wolfsholz, Leonberg • ingenieurbürograu Wurst/Wisotzky GbR, Bietigheim-Bissingen.

Besonderer Dank gilt allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die als INKO über 14 Jahre die Sicherungsarbeiten organisiert und vorbereitet sowie selbst mitgearbeitet und für die Zukunft die Pflege der Ruine übernommen haben: Erich Holzwarth • Albert Grimm (†) • Artur Grimm • Dieter Matzik • Marcel Friedel • Hans Joachim Ortwein • Winfried Kaiser • Brigitte Scheffler • Philipp Zoller • Dana Hermann • Benny Rieger • Gerd Baldschun • Franz Schaupp.