Freiheit! Ein Pecha Kucha Abend

„Freiheit! Ein Pecha Kucha Abend" kündigt das auffällig bunte Plakat den diesjährigen Aalener Frauenempfang am 8. März an. Das Jahres-thema des städtischen Amts für Chancengleichheit, demografischen Wandel und Integration „Freiheit" soll an diesem besonderen Abend am Internationalen Frauentag aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet werden.

„In der Geschichte der Frauenbewegung wurde schon immer für Freiheit gekämpft. Und ich denke, beziehungsweise befürchte, wir sind noch nicht am Ziel", erklärt Anna-Lena Mutscheller, Aalener Gleichstellungsbeauftragte, die Wahl des Fokusthemas. „Wir tappen gerne in die klassische „Wir haben ja alle die Wahl"-Falle, dabei werden Entscheidungen nicht im luftleeren Raum getroffen. Unsere Sozialisierung, Rassismus, Sexismus und Faktoren wie sozialökonomische Zugehörigkeit schränken unsere Wahlmöglichkeiten und die Qualität der getroffenen Wahl ein. Wir sind in unserer Wahl gar nicht so frei, wie wir vielleicht denken", so Mutscheller. 

Dieser Zwiespalt macht vor klassischen Fragen des Feminismus nicht Halt. Umso besser, dass sich die etwa 120 Zuschauenden an diesem Abend auf sechs Kurzvorträge zur Freiheitsdebatte freuen durften:

Elena Harizi ist Mitte 40 und russischstämmige Muslima. Nicht nur ihr Studium in Interkulturalität macht sie zur Expertin in Sachen Kopftuch: „Eine Frau mit Kopftuch ist in den meisten Lebenslagen einer doppelten Maßregelung ausgesetzt. Alle wissen besser, wie sie es zu tun hat." Ein Kopftuch zu tragen, freiwillig, wie auch unfreiwillig, verlange den Frauen viel ab. Es könne der Selbstpositionierung dienen und ein „Merkmal selbstbewusster kultureller und religiöser Identität" sein, aber eben unter Druck auch ein Mittel zur Ausübung von Kontrolle.

Die Gebärdensprachdolmetscherin Katja Stoll übersetzt alle Vorträge in die deutsche Gebärdensprache. Als Karin Gaida, die nächste Referentin, auf die Bühne tritt, bekommt die Dolmetscherin aber ein Mikrofon - Karin Gaida ist selbst gehörlos, und hält ihren Vortrag in Gebärdensprache. Dabei berichtet sie von Einschränkungen in ihrer Berufswahl, der Freizeitgestaltung und auch von handfesten Sicherheitsbedenken. Im Notfall schnell zum Telefon zu greifen, käme als gehörlose Person nicht in Frage. Wachsendes Verständnis und ein Mitdenken auf Seiten der hörenden Bevölkerung machten ihr aber Hoffnung. Sie könne nun immer öfter Veranstaltungen besuchen, und auch die Karrieregestaltung junger Gehörloser würde heute viel seltener von außen beschränkt.

Rebecca Eisele klärt im nächsten Beitrag über willkürliche Regelungen im Sport auf. Immer wieder wird die Teilnahme von Frauen an sportlichen Wettkämpfen eingeschränkt: „Der Leichtathletik-Verband sagt, Frau ist nur, wer unter 2,5 Nanomol Testosteron im Blut hat. Die Berliner Charité nennt Werte von 0,4-3,5 Nanomol als Normbereich für erwachsene Frauen. Im Männersport gibt es diese Grenzen in der Regel nicht, da ist es normal, dass Männer mit über 30 Nanomol gegen welche mit unter 7 Nanomol antreten dürfen". 
Als Larah Fritz, 28, auf der Bühne einen bekannten Werbespot für Damenrasierer imitiert, ist klar: Bei diesem Vortrag über Körperbehaarung wird viel gelacht werden. Sie rasiert sich seit 8 Jahren die Beine nicht mehr und nimmt es mit Humor: „Mich starren im Sommer zwar einige Leute abfällig an, aber im Großen und Ganzen bin ich privilegiert genug, dass mir im schlimmsten Fall Bildung und Männerhass unterstellt werden". Das gelte nicht für alle Frauen - unrasierte Women of Colour würden eher für rückständig oder vulgär befunden, dicken Frauen mit Körperbehaarung würde ein grundlegender Mangel an Hygiene unterstellt. 

Eindringlich plädieren die Rednerinnen Irina und Lucy in ihrem Beitrag für ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung als trans* Personen. Es sind auch heute noch zwei psychiatrische Gutachten, eine Psychotherapie, ein Gerichtstermin und mehrere tausend Euro notwendig, bevor trans* Personen ihre Identität zugestanden wird. „Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen in der Geburt zugewiesen wurde, werden als eine Gefahr für die Gesellschaft wahrgenommen", fassen die Rednerinnen schließlich zusammen und fordern eine diskriminierungsfreie und sensible Politik.
Abschließend spricht Juliane Ulbert, 30 Jahre alt, über das Dasein als Single-Frau und von den vielen erfüllten freundschaftlichen und familiären Banden, die frau außerhalb der romantischen Partnerschaft haben kann. Als Beispiel dafür, wie hoch die gesellschaftliche Erwartung ist, als Frau eine Liebesbeziehung anzustreben, führt sie die Geschichte der kleinen Meerjungfrau an: es sei ihr schon als Kind sehr grenzwertig erschienen, seinen Fischschwanz und die eigene Stimme für ein Glückslos in der Liebe zu opfern. 

© Stadt Aalen, 18.03.2024