Interview mit Oberbürgermeister Thilo Rentschler

Wie steht es derzeit um den Kulturbahnhof?

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So richtig losgegangen ist es bereits vor zwei Jahren mit einer Machbarkeitsstudie. Das heißt, zu einer Zeit, als das alte Bahnverwaltungsgebäude noch so existierte wie es die meisten kennen. Damals hatten wir den Architekten Liebel beauftragt zu untersuchen, welches Potential in diesem interessanten Gebäude steckt.

Wie beim benachbarten Lokschuppen?

Richtig! So wie der bereits fertiggestellte Lockschuppen dem künftigen Stadtoval ein Gesicht geben wird, soll auch das Bahnausbesserungswerk dem Quartier eine besondere Note verleihen.

Der Schwabe sagt aber: Weg mit dem alten Glomb!

Langsam. Man kann sich die mögliche Alternative gut vorstellen: Würde das Gebäude abgerissen und gegen ein neues ersetzt, bekäme das Stadtoval sicherlich ein völlig anderes Gesicht. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, Altes und Neues zu mischen. Nur so wird etwas Gutes daraus.

Trotz des Brandes?

Der Großbrand des Querbaus war tatsächlich ein Tiefschlag. Doch wir lassen uns dadurch nicht verdrießen, denn wenn das Gebäude fiele, würde unserer traditionsreichen Eisenbahnerstadt und damit dem ganzen Stadtbild etwas fehlen. Deshalb haben wir regional und bundesweit aufgestellte Büros zu einem Architekturwettbewerb eingeladen, aus dem ausgezeichnete Ergebnisse hervorgingen. Diese waren im September 2015 die Grundlage für den Gemeinderatsbeschluss, auf Basis des ersten Preises (Büro Ackermann & Raff, Stuttgart) detailliert zu untersuchen, was in den geplanten Kulturbahnhof investiert werden muss, um ihn zu realisieren (Leistungsphase 1 - 3).

Wer braucht einen solchen Bau?

Wir alle. Für unsere Musikschule und Ballettschule, für das Programmkino (Kino am Kocher), für Orchesterproben und natürlich für das Stadttheater. Das Theaterensemble verfügt zwar bereits über eine schöne Spielstätte im Alten Rathaus, die auch bestehen bleiben wird, aber seit knapp 15 Jahren gibt es daneben die Bühne im Wi.Z. Das ist Stadtrand, aber ein Stadttheater gehört mitten in die Stadt! Deshalb finde ich es so ungemein positiv, die Theaterleute hereinzuholen und mit den anderen Kultureinrichtungen zusammenzubringen.

Plus die ewigwährende Forderung nach einem Veranstaltungsraum mittlerer Größe?

Einer für 150 bis 250 Besucher fehlt derzeit im Kernstadtbereich. Für Größeres steht die Stadthalle zur Verfügung, Kleineres kann in den bis 120 Personen fassenden Paul-Ulmschneider-Saal der VHS. Der schöne Raum mittlerer Größe im ehemaligen Bahnausbesserungswerk wird eine einzigartige Atmosphäre bieten. Mitten im Herzen der Stadt - ich bin mir absolut sicher, das wird hervorragend angenommen. Zugleich erwachsen daraus auch Chancen für das geplante Hotel. Stichwort Tourismus und Kultur. Oder eben auch für Firmenveranstaltungen. Wohlgemerkt: Kein Kongresszentrum, sondern eine herausragende Veranstaltungsfläche.

Und das soll kurzfristig machbar sein?

Der aktuelle Zeitplan sieht wie folgt aus: Im Herbst werden wir den Stand der Detailplanung mit genauen Zahlen im Gemeinderat vorstellen. Der Wunsch war immer eine klare Kostenrechnung. Das geht aber nur, wenn die beteiligten Fachingenieure ihre Arbeit abgeschlossen haben. Dann geht es in die Vorberatung mit dem Ziel Baubeschluss. Es gibt eine klare Kostenvorgabe: 24 Millionen Euro.

Glaubt jemand ernstlich daran, dass der Kostenrahmen eingehalten werden?

Wir haben auf Wunsch des Gemeinderats funktionierende Sicherungen eingebaut. So wird das Büro Drees & Sommer das Projekt begleiten, zusätzlich hat das Büro Ackermann & Raff ein wachsames Auge auf Projektsteuerung und Kostenkontrolle. Damit verfügen wir über eine Mehrfachsicherung, zu der noch unser eigenes städtisches Kontrollsystem hinzukommt. Wir als Stadt prüfen ebenfalls alle Vorgänge. Ich bin mir sicher: Wir kommen mit der veranschlagten Summe aus!

Mit anderen Worten: Sie können gut schlafen!

Ich bin entspannt, auch was die weiteren Diskussionen betrifft. Wir dürfen nie vergessen, der Kulturbahnhof ist nicht nur ein wichtiges Kulturprojekt, sondern er steht in unmittelbarer Nachbarschaft mit den angrenzenden Wohngebieten Hirschbach und Rötenberg. Hier leben rund 14.000 Menschen. Benachbart auch das neue Quartier gegenüber dem alten Postamt, in dem neuer Wohnraum für bis zu 200 Menschen entsteht. Insgesamt werden hier in den kommenden fünf Jahren bis zu 600 Wohneinheiten geschaffen, das entspricht schätzungsweise bis zu 2000 zusätzliche Einwohner.
Die Düsseldorfer Straße wird für den Autoverkehr gesperrt, damit man bequem von der einen nach der anderen Seite wechseln kann und es gibt noch die ideale Anbindung an den Busbahnhof, den künftigen Hauptbahnhof und an das Park & Ride - Gebäude. Besser ist kein anderes Quartier an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. Deshalb kommt das Stadtoval mit seiner grünen Mitte und dem Kulturbahnhof jetzt zum richtigen Zeitpunkt.

Da tut sich doch mal was in der Stadt.

Viel sogar. Mobilität, Kinderbetreuung, Bildungs- und Kultureinrichtung, Freizeit, Spielplatz - im neuen Stadtoval kommt einiges zusammen. Man muss das Projekt immer im Zusammenhang sehen. Und um es nicht zu vergessen: Wir lösen in dem Viertel innerhalb der nächsten Jahre ein Investitionsvolumen von über 250 Million Euro aus. Gleichzeitig werden in der Stadt bei unterschiedlichsten Baumaßnahmen (insgesamt) rund 1,5 Milliarden Euro investiert. Eine enorme Summe, die die Stadt positiv verändert. Mit Blick darauf, sind die 24 Millionen für den Kulturbahnhof vertretbar.

Ihre Sicht. Was sagt der Gemeinderat?

Wenn der Gemeinderat es ebenfalls so sieht, wird 2017 mit dem Um- und Wiederaufbau des Gebäudes begonnen. Fertigstellung soll 2019 sein, sodass dann mit den weiteren Hochbauaktivitäten im Stadtoval das Ganze zum Blühen kommt.

Hört sich gut an. Aber gibt es nicht doch den einen oder anderen Zauderer?

Ich kann nicht für jeden einzelnen Stadtrat sprechen. Aber wenn Ängstlichkeit vor neuen Investitionen die entscheidende Maßgabe wäre, dann stünde es um die Entwicklung in unserer Stadt schlecht bestellt. Die Angst, dass die Kosten aus dem Ruder laufen könnten, verstehe ich nur zu gut, aber wir haben, wie bereits erwähnt, ausreichende Sicherungen und Kontrollen eingebaut. Ein renommiertes Büro wie Ackermann & Raff plant detailliert und ein erfahrener Projektsteuerer wie Drees & Sommer sorgen dafür, dass es keine unliebsamen Überraschungen gibt.

Viel Geld für einen Häuslesbauer!

Aber kein Riesenprojekt! In Aalen wird auch anderes gestemmt. Beispielsweise Hochschulerweiterungen (25 Millionen Euro), Forschungsinfrastruktur (30 Millionen), Schulmodernisierung (50 Millionen Euro) und und und. Keiner käme hierbei auf die Idee zu sagen: 25 Millionen sind uns zu viel Investitionsvolumen. Übrigens, der Umbau des Polizeipräsidiums beträgt 15 Millionen Euro, der Kubus am alten Kaufringgebäude kostet rund 25 Millionen.

Was sagen Sie denen, die schon immer Zustände wie beim Berliner Großflughafen befürchten?

Man muss nicht hinter jeder Hochbaumaßnahme einen Berliner Flughafen vermuten. Das wäre doch abstrus. Bei der Sichtweise wäre keine Kirche, kein Kongresszentrum, keine Stadthalle oder sonst etwas gebaut worden.

Das heißt, der Gemeinderat gibt ein einstimmiges Plazet!

Das kann ich nicht versprechen! Soweit will ich auch nicht gehen. Es gibt vermutlich aus konsequente Nein-Sager.

Gibt es bauliche oder inhaltliche Bedenken?

Es gibt welche, die uns sehr genau begleiten. Sie interessiert heute schon, was morgen auf der Bühne gespielt werden wird. Doch der Kulturbahnhof muss erst ein Stück weit mit den künftigen Akteuren entwickelt werden. Natürlich gibt es auch Stadträte, die bereits im Vorfeld wissen wollen, was inhaltlich im Kulturbahnhof alles geschehen wird. Doch ich habe nie einen gehört, der sich diese gute Mischung nicht vorstellen kann. Der künftige Versammlungsraum, die Bühne für das Theater, die Musikschulräume, das ist alles unumstritten.
Nochmals zu den Kosten: Wir gehen davon aus, dass das Projekt vom Land gefördert wird, und wenn man das alles zusammennimmt, dann habe ich ebenfalls noch keinen gehört, der fordert, weniger zu machen - oder der gleich die Abrissbirne bestellen will. Fakt ist: Wir brauchen eine gute Bebauung, nicht zuletzt um das Wohngebiet von den Gleisen abzuschirmen.

Welche Rolle spielt der künftige Kulturbahnhof im Wettbewerb mit den Nachbarstädten?

Die Musikschule besitzt mit ihren rund 2000 Schülern ein Alleinstellungsmerkmal, auch das Stadttheater mit seinem engagierten Ensemble und jährlich 30000 Besucher und das Programmkino ebenso. Wir stärken den Kulturstandort Aalen und strahlen weit in die Region hinein. Das sind notwendige Voraussetzungen, die auch von immer mehr Unternehmen eingefordert werden. Wer vermehrt Fachkräfte anwerben möchte, braucht ein gutes Standortmarketing. Unserer Region ist nach wie vor erklärungsbedürftig. Nicht jeder auf der Welt weiß, wo wir zu finden sind, wo Aalen, Oberkochen, Abtsgmünd oder eine der anderen Städte liegt. Gutes Standortmarketing, gute Wohnund Umweltqualität wird immer wichtiger. In der Aalener Bucht finden wir das alles und wir finden ein vielfältiges kulturelles Angebot. Das müssen wir unbedingt aufzeigen und stärken.

Eine Frage zum Schluss: Freie Künstlergruppen hoffen im Kulturbahnhof unterzukommen oder gar Künstlerateliers einrichten zu können?

Künstlerateliers wird es vermutlich nicht geben. Aber es stehen zahlreiche tolle Räume zur Verfügung, sodass ich mir gut vorstellen kann, diese auch externen Künstlern für Aktionen oder Veranstaltungen anzubieten. Das Engagement freier Künstler im Kulturbahnhof wäre sicherlich für alle von großem Nutzen, weshalb wir eine intelligente Kooperation schaffen werden. Das ist das Gebot der Stunde, gerade weil sich alles ergänzen wird.

Das Interview führte Herbert Kullmann,
www.aalener-kulturjounal.de

© Stadt Aalen, 28.11.2016