Für ihren unermüdlichen Einsatz zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen wurde die Stolperstein-Initiative Aalen mit dem Rahel-Straus-Preis der Landesarbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg im „Verein Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V.“ mit Unterstützung der Berthold Leibinger Stiftung ausgezeichnet. Die feierliche Verleihung fand am vergangenen Freitag im Bürgersaal des Bürgerhauses Wasseralfingen statt.
Am vergangenen Freitag wurde die Stolperstein-Initiative Aalen im Bürgerhaus Wasseralfingen mit dem Rahel-Straus-Preis 2025 ausgezeichnet. Die Initiative erhält die mit 1.000 Euro dotierte Ehrung für ihr herausragendes ehrenamtliches Engagement zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen und für eine lebendige Erinnerungskultur in Aalen.
Der Preis wird jährlich von der Landesarbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg im Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V.“ verliehen und von der Berthold Leibinger Stiftung gefördert.
Birgit Kipfer, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft, führte durch den gut besuchten Abend und lobte das große Engagement, das weit über Aalen hinaus Wirkung zeigt – so haben sich nach dem Vorbild der Initiative inzwischen auch Engagierte in Lauchheim, Ellwangen und Neuler zusammengefunden.
Seit ihrer Gründung im Jahr 2015 setzt sich die Stolperstein-Initiative Aalen mit heute 15 aktiven Mitgliedern intensiv für die Erforschung und öffentliche Sichtbarmachung nationalsozialistischer Verbrechen in der Region ein.
„Sie waren mutig genug, an die Verbrechen der Nationalsozialisten zu erinnern – in einer Zeit, in der Teile der Stadtgesellschaft noch nicht so weit waren“, erklärte Oberbürgermeister Frederick Brütting in seinem Grußwort. Diesem schloss sich Isabel Schwab von der Berthold Leibinger Stiftung an und berichtete vom nachhaltigen Eindruck, den die Initiative auf die Jury gemacht habe, und zeigte sich tief beeindruckt vom Mut, der Ausdauer und der Sorgfalt, mit der hier Erinnerungsarbeit geleistet werde.
Emotionaler Höhepunkt der Veranstaltung war die Laudatio von Dr. Alfred Geisel, dem ehemaligen Vizepräsidenten des Landtages von Baden-Württemberg. Als Zeitzeuge warnte er eindringlich vor aktuellen politischen Entwicklungen: „Es macht mich traurig, dass Faschisten wieder unter dem Deckmantel der Demokratie agieren.“
Auch OB Brütting spannte den Bogen zur Gegenwart: „Manche Äußerungen heute erwecken den Eindruck, als wäre Antisemitismus ein Ausländerproblem.“ Umso wichtiger sei die Arbeit der Stolperstein-Initiative: „Sie erinnert uns daran, dass der Holocaust von Deutschland ausging.“ Antisemitismus, so Brütting, sei auch heute weit verbreitet in der deutschen Gesellschaft: „Auch deswegen brauchen wir Menschen wie die Stolpersteinler, die gegen das Vergessen und für unsere demokratische Zukunft kämpfen.“
Dass die Arbeit weitergeht und die Vorbereitungen zu den nächsten Stolperstein-Verlegungen bereits laufen, davon berichteten stellvertretend fünf Mitglieder der Initiative in einem Gespräch mit Birgit Kipfer, bevor sie die offizielle Übergabe des Rahel-Straus-Preises 2025 an Fred Ludwig, Sprecher der Initiative, und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter vornahm.
Feierlich umrahmt wurde die Veranstaltung durch Vitaliya Fedosenko (Klavier), Fabio Donofrio (Saxophon) und Frank Mahler (Trompete) von der Musikschule der Stadt Aalen.
Ein zentrales Projekt der Stolperstein-Initiative Aalen ist die umfangreiche Recherche zu über 400 KZ-Häftlingen im Außenlager Wiesendorf, die im August 2023 in die Verlegung einer Stolperschwelle in Wasseralfingen mündete. Darüber hinaus wurden seit 2015 zahlreiche Stolpersteine für verfolgte und ermordete Bürgerinnen und Bürger Aalens verlegt. Weitere Verlegungen sind bereits in Planung.
Rahel Straus (1880–1963), Namensgeberin des Rahel- Straus-Preises, war die erste Frau, die an der Universität Heidelberg Medizin studierte und eine eigene Praxis eröffnete. Zeit ihres Lebens engagierte sie sich für Frauenrechte, soziale Gerechtigkeit und demokratische Teilhabe – etwa in der Münchner Räterepublik und im Kampf gegen den § 218.
Nach ihrer Emigration 1933 nach Palästina wirkte sie als Ärztin und Sozialarbeiterin weiter und gründete 1952 die israelische Gruppe der Women’s International League for Peace and Freedom. Der Rahel-Straus-Preis erinnert an ihr Wirken und zeichnet Projekte aus, die sich für Erinnerungskultur und Demokratie einsetzen.
PNr. 614/2025