Über den Umgang mit Stadt und Architektur

Arno Lederers Plädoyer zum besseren Bauen

Architektur und Stadtplanung prägen „das Gesicht unserer Stadt“. Sie nehmen Einfluss auf unsere Lebensqualität. Kleine und große Baumaßnahmen, zahlreiche Investitionsentscheidungen, die Kooperation vieler Akteure führen laufend zu Veränderungen. Der gesellschaftliche Wandel und die Bedürfnisse der Menschen bestimmen die Anforderungen an eine zukunftsorientierte Gestaltung der Stadt.

Vortrag Prof. Arno Lederer
Vortrag Prof. Arno Lederer (© Stadt Aalen)

Dabei ist die öffentliche Diskussion  über Architektur, Stadt und Stadtplanung durch eine große Spannweite zwischen „fehlenden Visionen, radikaler Reglementierung, Individualität und der Forderung nach Beteiligung“ geprägt. Mit der Vortragsreihe „planen, bauen und wohlfühlen“, die seit Jahren gemeinsam vom Baudezernat der Stadt Aalen und der örtlichen Architektenkammergruppe veranstaltet wird, soll daher auf die besondere Bedeutung der Baukultur für unser Leben hingewiesen werden. Im Kern geht es darum, das Zusammenspiel von öffentlichem Raum und privaten Gebäuden so zu gestalten, dass der Aufenthalt für alle Bürger und Bürgerinnen möglichst angenehm ist.
Das geht wiederum nur, wenn man alle  Fragen von Infrastruktur, Verkehr, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen im Blick hat und auf die örtlichen Begebenheiten eingeht.  Viele Kleinigkeiten ergeben den Gesamteindruck für eine lebhafte und erlebbare Urbanität. Aber wie lässt sich der Ausdruck nach Individualität der Bauherren mit dem Anspruch vereinen, eine Architektur zu schaffen, die dem architektonischen Erbe einer Stadt gerecht werden kann?

Antworten auf diese Fragen gab der diesjährige Referent Professor Arno Lederer. Vor über 200 Zuhörern erläuterte er die „Benimmregeln“ für Gebäude im gewachsenen Gefüge einer Stadt an eher konventionellen Beispielen.

„Wir gehen ja auch nicht im Schlafanzug zur Konfirmation“ war eines seiner humorvollen Kommentare, um zu verdeutlichen, dass ein respektabler Umgang mit der Stadt kein Nachteil für die Architektur sein muss. Denn auch wenn die Häuser stets der Ausdruck der Individualität der Besitzer sind, bilden die Gebäude und ihre in den Straßenraum gerichteten Fassaden, das Abbild der Stadt und damit der Gesellschaft. Die Baukunst dient als Spiegel für die sozialen und politischen Ziele ihrer Erbauer. Ein „gewisses Maß an Anstand“ ist daher für Arno Lederer essenziell. Doch wie sollten sich die Häuser benehmen? Anhand von ausgewählten Beispielen, wie dem Hospitalhof in Stuttgart, dem Kunstmuseum in Ravensburg und dem Umbau des bischöflichen Ordinariats Rottenburg zeigte er, wie Gebäude auf bestehende Stadtstrukturen eingehen, sich in ihrer Materialität dem Vorhandenen anpassen und dennoch modern und zukunftsweisend wirken können.

Neben zahlreichen unterhaltsamen Anekdoten, ließ der renommierte Architekt die anwesenden Zuhörer, auch an seinen langjährigen praktischen Erfahrungen teilhaben und zeigte eindrucksvoll, dass man Stadt nicht neu denken muss. Vieles ergebe sich schon aus dem Kontext, man müsse nur zurückgehen und die Zeichen lesen können, so sein Fazit. Die Frage der Differenzierung spielte für Lederer, nach eigener Aussage, keine große Rolle. Allerdings stellte er während seines Vortrages selbstkritisch fest, dass auch er als Architekt einem gewissen Hang zur Selbstsucht erlegen ist.  Denn nach seiner Ansicht ist neben dem Schauspiel, die Architektur, eine der Künste, die dazu verleitet, das Gesamtbild aus den Augen zu verlieren. Jedoch halten er und sein Büro wenig von der Schnelllebigkeit unserer Zeit, für sie gilt das Statische, über Jahrhunderte lange Bewährte, was sie durch ihre Architektur herausarbeiten und darstellen. Nicht das Individuelle stehe im Vordergrund, sondern das Vorhandene und der Kontext in das die Architektur eingebunden ist.  Mit  dieser Vorgehensweise hat das renommierte Büro „Lederer – Ragnarsdóttier – Oei“ aus Stuttgart schon etliche Preise in der Architektur gewonnen.

Lederer plädiert für eine Schlichtheit und Bescheidenheit in der Architektur. Seine Liebe liegt im Detail. So erzielen augenscheinliche Kleinigkeiten z.B. wie die oberen Fenstergesimse am Hospitalhof, die kleinen Nonnenhütchen  ähneln, der Fahnenmast, der aus Holz ist, oder die Bank vor den Museen einen größtmöglichen Effekt und lassen die Architektur von Lederer – Ragnarsdóttier – Oei mit allen Sinnen erlebbar werden.   

Auf sehr unterhaltsame Art referierte Professor Lederer, der mit seinem Büro an dem Wettbewerb zum Kulturbahnhof im Stadtoval teilnehmen wird,  über Stadtplanung und Architektur. Er machte den Vortrag für das anwesende Fachpublikum und für die zahlreichen interessierten Aalener Bürger zu einem kurzweiligen Erlebnis. Die auf Bildern und Plänen vorgestellten Projekte machen Lust, diese in Natura zu besuchen und zu begehen. Einen geistigen und auch kreativen Input für zukünftige Bauprojekte boten die Ausführungen alle mal.

© Stadt Aalen, 10.03.2015