"Boom-Town" Aalen

„Aalen ist eine Boom-Town!“ Angesichts einer bevorstehenden Investitionssumme von über 2 Milliarden Euro seitens der öffentlichen Hand und privater Investoren in der größten Stadt der Region kommt OB Thilo Rentschler zu dieser Feststellung. Das Ergebnis dieser rasanten wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Weiterentwicklung der Stadt ist für den Oberbürgermeister, der seit über drei Jahren in der ehemaligen Reichsstadt das Steuer in der Hand hält, bereits sichtbar: „Aalen soll die 70 000-Einwohner- Marke überschreiten.“ Rentschler hat den „Wirtschaftsdampfer Aalen“ auf Kurs gebracht, um in der kommenden Dekade klar definierte Ziele zu erreichen und Aalens Stellung im Ensemble der Städte Ostwürttembergs weiter zu verbessern. Die Stadtentwicklung soll in mehreren Quartieren rasch vorangetrieben, Brachen sollen attraktiv revitalisiert werden.

Das Ostertaggebäude vor dem Beginn der Sanierung
Das Ostertaggebäude vor dem Beginn der Sanierung (© Stadt Aalen)

Ein Fokus liegt auf dem Wohnungsbau. Ein anderer auf der Weiterentwicklung der forschungsstarken Hochschule Aalen. Ab kommendem Frühjahr wird auf dem Stadtoval, mit 6,5 Hektar Fläche größtes zusammenhängendes Entwicklungsgebiet der Stadt am Kocher, das Aufsiedeln konkret beginnen. Im Aalener Süden herrscht ebenfalls Aufbruch-Stimmung, die Quartiersentwicklung Aalen-Süd nimmt konkrete Konturen an. Im Gespräch mit Sascha Kurz schildert das Aalener Stadtoberhaupt, warum das lange in einem Dornröschenschlaf liegende Areal südlich der Aalener Innenstadt plötzlich im Fokus steht.

Herr Rentschler, was gab die Initialzündung, nun auch im Süden Aalens ein weiteres Potenzial für die Entwicklung Aalens heben zu können?

Thilo Rentschler: Was ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorzustellen gewagt hatte, wurde 2016 Realität. Binnen weniger Wochen wurden zwei Gordische Knoten durchschlagen: Der Landkreis hat für die Erweiterung seiner Verwaltung das 1,5 Hektar große ehemalige Union-Gelände erstanden, auf dem Ostertag-Areal wenige Meter östlich entsteht durch das Engagement der Investoren Peter Stützel und Markus Ehinger eine neue interessante Nutzung. Ich sehe darin den Startschuss für die gesamte Neugestaltung eines großen Abschnitts des Stadtgebiets.

Welche Projekte haben Sie bereits auf dem Schirm?

Rentschler: Das Proviantamt ist durch die mutige Investition von Oliver Schmidt seit längerem auf gutem Weg und entwickelt sich prächtig. Alle Flächen der drei Speicher sind vermietet. Das Traditionsunternehmen Seydelmann bezieht in direkter Nachbarschaft bald seine neue Halle. Projektentwickler i Live baut 2017 wenige Meter entfernt am Burgstallkreisel einen Büroturm als neue Firmenzentrale. Im Wi.Z sollen nach dem Umzug des Theaters der Stadt Aalen in den Kulturbahnhof auf dem Stadtoval Flächen für Start-up Unternehmen freiwerden. Gemeinsam mit der Villa Stützel und dem Verknüpfen über Rad- und Fußwege entlang des Kochers bis hin zum Kreuz-Areal beim Frapé soll im Quartier Aalen-Süd speziell Raum für kreative Köpfe bereitgestellt werden. Das ist mir wichtig: Es soll ein ausgewogener Mix aus Gewerbeflächen, dem Dienstleistungssektor, dem Wohnen und kulturellen Angeboten entstehen. Meine Vorstellung dazu ist: Alle angesprochenen Branchen verbinden sich in Aalen-Süd zu einem einzigartigen Wachstumsmotor für unser Gemeinwesen.

Gibt es bereits flankierende Maßnahmen beim Verwirklichen Ihrer Vorstellungen?

Rentschler: Seit einiger Zeit treffen sich die Akteure der Aalener Kreativwirtschaft regelmäßig auf Einladung unserer Wirtschaftsförderung. Gemeinsam mit Wirtschaftsförderer Wolfgang Weiß möchte ich den Dialog mit den kreativen Köpfen dieser Stadt vorantreiben und den Austausch innerhalb der Branche forcieren. Diesmal haben sich über 120 Interessierte getroffen, um das Ostertag-Areal zu besichtigen und sich danach beim Weinmarkt Grieser auszutauschen. Eine Benchmark-Studie, die von der Aalener imakomm Akademie derzeit erstellt wird, - übrigens auch einer Firma aus dem Quartier Aalen-Süd, die im Wirtschaftszentrum Wi.Z ansässig ist, - soll Aussagen über das Wachstumspotenzial und den Chancen der Kreativ- und Kulturwirtschaft in der größten Stadt Ostwürttembergs machen. Danach werden wir seitens der Verwaltung prüfen und ausloten, welche weiteren flankierenden Maßnahmen möglich und notwendig sind, um den Wachstumsmotor für Aalen rundlaufen zu lassen.

Doch damit nicht genug. Vor wenigen Wochen wurden die Akteure der Südstadt in die Villa Stützel in der Ulmer Straße eingeladen. Dabei haben wir das Entwicklungspotenzial bei den rund 20 anwesenden Firmen und Organisationen abgefragt. Dabei kamen auch die Vertreter wie Alexander Rupp vom Club "Tonfabrik" zu Wort. Intendant Tonio Kleinknecht und Daniela Mühlbäck stellten die Ansichten des Theaters der Stadt Aalen dar. Dr. Sandra Röddiger und Dr. Ralf Kurek warben für ihr Kleinod: die Villa Stützel. Beim nächsten Treffen soll dann die Benchmarkstudie von imakomm besprochen und diskutiert werden.

Haben Sie aus dem Treffen Handlungsfelder mitgenommen, wo Sie als Stadtverwaltung tätig werden sollen?

Rentschler: Ja. Angesprochen wurde das Thema innenstadtrelevanter Handel. Die Stadt fährt bislang eine zurecht restriktive Linie diesbezüglich, die durch das Acocella- Gutachten vorgegeben wird. Um das deutlich erkennbare Entwicklungspotenzial im Quartier Aalen-Süd ausschöpfen zu können, sollte die Liste innenstadtrelevanter Sortimente allerdings geprüft und auch angepasst werden. Es geht darum, eine passgenaue Lösung zu justieren, die eine positive Quartiersentwicklung befördert, ohne der City und ihrem potenten Handel zu schaden.

Was kann die Stadt Aalen direkt tun, um die Attraktivität des Quartiers zu erhöhen?

Rentschler: Wir streben an, entlang des Kochers die Aufenthaltsattraktivität zu erhöhen, beispielsweise durch Radwege, erlebbare Abschnitte des Kochers und passende Gastronomie. Dabei spielt auch eine Rolle und ist wichtig, dass mit dem Landratsamt eine öffentliche Institution das Union-Areal gemeinsam und in Abstimmung mit der Stadt entwickeln wird. Gleich neben dem Ostertag-Areal soll ja auch der Bahnübergang Walkstraße durch eine Unterführung verschwinden. Und die Stadt wird über ihre Tochtergesellschaft, der Wohnungsbau Aalen, das Wi.Z weiterentwickeln.

Welche Rolle spielen Existenzgründungen beim Entwickeln eines kreativen Viertels?

Rentschler: Eine sehr große. Das Wi.Z sowie das neue Innovationszentrum Inno-Z am Hochschulcampus Burren ergänzen sich bestens. Aalen braucht mehr Existenzgründer. Deshalb engagiert sich die Stadt exemplarisch bei der Start-up-Offensive Ostwürttemberg sowie dem "Boot Camp für Start-ups", einem Businessplan-Wettbewerb der Kreissparkasse Ostalb. Existenzgründungen haben in einer wachsenden Stadt wie Aalen äußerst positive Auswirkungen auf den gesamten Wirtschaftsstandort.

Die Kulturwirtschaft haben Sie bereits angesprochen. Ein konkretes Projekt läuft während der Spielzeit 2016/2017 des Theaters: der "Boulevard Ulmer Straße".

Rentschler: Darüber freue ich mich besonders. Das Projekt zeigt deutlich, dass die Akteure innerhalb des Quartiers gewillt sind, gemeinsam aktiv zu werden. Anlässlich des 25. Geburtstages des Theaters der Stadt Aalen findet ein bunter Reigen an Veranstaltungen entlang der Ulmer Straße, die inmitten Aalen-Süd liegt, statt. Eine Plakataktion, eine Rockveranstaltung, „die Gerücheküche", eine experimentelle Kocherwanderung, das „GSA Boogaloo“ und vieles mehr wird bis Juni 2017 vorbereitet. Solche Aktionen beleben ein Quartier und verbinden die Menschen von innerhalb mit denen, die neu hinein schnuppern ins kreative Viertel Aalens.

Herr Rentschler, besten Dank für das Gespräch

© Stadt Aalen, 28.11.2016