Kriegsanfang und Rommel

Stadtarchiv und Geschichtsverein organisierten Anfang November 2019 zwei Veranstaltungen zum NS in Aalen. Heiß diskutiert: Ex-OB Schübel und Erwin Rommel.

Die Schwäbische Post vom 7.11.2019. (© )

Stadtarchivar Dr. Georg Wendt hat sch einiges vorgenommen. In den kommenden vier Jahren möchte er die Geschichte Aalens im Zweiten Weltkrieg aufarbeiten oder zumindest "einen Anfang für die Aufarbeitung" machen. Im Jahrestakt sollen drei Vorträge und Aufsätze chronologisch die Ereignisse zwischen 1939 und 1945 beleuchten. Am 6. November 2019 ging es los mit dem Kriegsbeginn 1939. Hierfür entwarf er mit zahlreichen Bildern kaleidoskopartig ein Bild der Stadt in diesem Jahr. Dabei zeigte er auf, wie der Technokrat und Machtpolitiker Dr. Karl Schübel sich die Stadtverwaltung Untertan machte, um anschließend "sein" Aalen in eine prosperiende NS-Vorzeigestadt zu verwandeln. Groß wurde der 50. Geburtstag des Führers und der 200. Geburtstag Schubarts gefeiert. Beim Fasching hetzten Aalener gegen Juden, Bonzen und Demokraten. Sportlicher Höhepunkt des Jahres war zweifellos der Aufstieg des VfR in die Gauliga, wofür das alte SSV-Stadion mit einem Zuschauerwall ertüchtigt wurde.

Viele laufende städtebauliche Projekte wurden allerdings mit Kriegsbeginn am 1. September zurückgestellt und für die Aalener begann eine neue Zeitrechnung. Wilhelm Rieger, der am 10. September in Tarnow verstarb, sollte nur der erste von 1.240 gefallenen Aalenern in den folgenden 6 Jahren sein. In Aalen selbst war der Krieg zunächst durch Mangel spürbar: Lichtmangel durch Verdunklungspflicht, Raumnot durch Einquartierungen und Rückwanderer von der Westfront, Informationsmangel durch "Feindsenderverbot" und Versorgungsmangel mit Lebensmittelkarten. Widerstand äußerte sich bereits im November sanft durch Regimekritische Graffitis auf NS-Plakaten. Doch die meisten Aalener sahen sich als Teil der "Schicksalsgemeinschaft im Kampf für die Zukunft des Reichs".

Im November 2020 folgt der zweite Teil der Vortragsreihe. Dann geht es um die Jahre 1940-1942.

Rommel und Aalen (7. November 2019)

Tags darauf, am 7. November 2019, luden Geschichtsverein und Stadtarchiv zur Podiumsdiskussion über Erwin Rommel. Der berühmt-berüchtigte Militär wuchs in Aalen auf. Als Rommel durch britische und deutsche Propaganda im Zweiten Weltkrieg zu Weltruhm kam, bemühte sich der damalige Aalener Bürgermeister Dr. Schübel um ein gutes Verhältnis zum Generalfeldmarschall. Nach dessen Tod und nach Kriegsende sah sich der Aalener Gemeinderat 1955 veranlasst, zu Ehren seiner militärischen Verdienste nach Rommel eine Straße im Hüttfeld zu benennen. Diese Straße gereichte am 1. September 2019 dem DGB-Kreisvorsitzenden Josef Mischko zum Stein des Anstoßes: Er sah es als unvereinbar, einerseits mit Stolpersteinen NS-Opfern in Aalen zu gedenken und andererseits mit der Straße Erwin Rommel als Militär zu ehren. In der Sitzung des Kultur-, Bildungs- und Finanzsausschusses am 11. September wurde die Stadtverwaltung aufgefordert, auf breiter wissenschaftlicher Basis über Erwin Rommel zu informieren.

Bei der Podiumsdiskussion, moderiert von Kulturamtsleiter Dr. Roland Schurig und Stadtarchivar Dr. Georg Wendt, diskutierten drei Experten über die Traditionswürdigkeit Erwin Rommels. Dr. Peter Lieb (Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam) wies darauf hin, dass die Forschung in jüngerer Zeit ein helleres Bild Rommels gezeichnet habe: So gehörte Rommel zum äußeren Kreis des Widerstands des 20. Juli an, während ihm keine direkte Verwicklung in Kriegsverbrechen nachgewiesen werden könne. Matthias Pfeffer (stv. Schulleiter Werkgymnasium Heidenheim, Aalen) hielt dem entgegen, dass in Rommels Zuständigkeitsgebieten, v.a. in Norditalien, aber bspw. durch SS-Verbände Kriegsverbrechen begangen wurden. Auch hielt er es für zweifelhalt, Rommel einen Widerstandskämpfer zu nennen, wenn er selbst nicht aktiv beteiligt gewesen sei. Dr. Cornelia Hecht (Haus der Geschichte, Baden-Württemberg) zeichnete ebenfalls ein zwielichtiges Bild von Rommel, der zwar als Hitlers Vorzeigegeneral tief in das NS-System verwickelt war, aber nachweislich im Rahmen seiner Handlungsmöglichkeiten um Anstand bemüht war. Einig waren sich die drei Referenten in ihrer kritischen Haltung bezüglich einer Umbenennung. O-Ton: Ist es nicht sinnvoll, neben dem ehrenden Gedenken für Elser und Stauffenberg auch zwielichtigen Personen wie Rommel mahnend zu gedenken?

Bei der folgenden emotionalen, aber weitgehend sachlich geführten Diskussion im Publikum zeichnete sich ein vielseitiges Stimmungsbild: Während einige in Zeiten des aufstrebenden Rechtsextremismus ein deutliches Signal gegen NS-Systemangehörige wie Erwin Rommel forderten, plädierten andere für eine komplexere Erinnerungspolitik, die auch Figuren wie Rommel mahnend mit einschließt. Hierfür bedarf es allerdings einer entsprechenden Kommentierung Erwin Rommels im Straßenbild selbst; sei es durch künstlerische und/oder wissenschaftliche Intervention.

Der SWR berichtete.

© Stadt Aalen, 09.11.2019